Die Bereitschaft etwas zu tun
Jeder Mensch ist in einem gewissen Maße bereit etwas zu tun. Sei es für andere Menschen, für die Arbeit oder für sich selbst. Verfolgen wir eigene Ziele, dann sind wir sogar sehr hoch motiviert etwas zu investieren und uns anzustrengen. Je wichtiger das Ziel für uns ist, umso mehr wollen wir es erreichen. Auch in schwierigen, anstrengenden Zeiten versuchen wir durchzuhalten und gehen über unsere eigenen Grenzen.
Welche Bereiche eine persönliche Bedeutung haben ist unterschiedlich. Sind uns die sozialen Kontakte, wie Freunde, Familie, Partner sehr wichtig, dann werden wir viel Zeit und Energie in unsere persönlichen Beziehungen stecken. Geht es den anderen schlecht, dann stellen wir unsere eigenen Bedürfnisse zurück und versuchen sie zu unterstützen, zu trösten, Dinge für sie zu regeln.
Ist uns die Arbeit sehr wichtig, dann sind wir bereit unsere ganze Kraft und Energie in die Ausbildung oder den Beruf zu stecken. Sei es weil wir uns selbst verwirklichen wollen, ein finanziell besseres Leben führen wollen, uns diese Arbeit wichtig und sinnvoll erscheint, wir Schwächere in unserer Arbeit oder durch unsere Arbeit unterstützen wollen oder auch aus Angst unseren Job zu verlieren.
Viele Menschen kennen Situationen, wo plötzlich mehrere Dinge zusammen kommen. Dem Partner geht es schlecht, der Job bereitet immensen Stress und die eigene Mutter hat sich vielleicht noch den Arm gebrochen. In solchen Situationen wird es dicht und stressig für uns. Wir versuchen den Partner aufzumuntern, machen Überstunden im Job, eilen danach noch zur Mutter und landen irgendwie jeden Tag vollkommen fertig im Bett. Für unsere eigenen Bedürfnisse finden wir keine Zeit mehr.
Sind die anstrengenden Zeiten nur kurz, stellen sie im Normalfall kein Problem für uns dar. Bald können wir uns wieder zurückziehen, uns erholen und auftanken. Wir haben wieder Zeit für uns selbst. Bleiben die Mehrfachbelastungen allerdings längerfristig oder kommen dann noch zusätzliche Anstrengungen dazu, dann zehren sie extrem an unserer Kraft und Energie. Wir werden immer erschöpfter. Unsere Toleranzschwelle wird kleiner. Wehe irgend jemand möchte noch etwas Zusätzliches von uns. Wir sind überlastet. In solchen Situationen sind wir leicht reizbar und können auch einmal ausflippen. Hält die Belastung weiterhin an, werden wir mit der Zeit zu erschöpft sein, um überhaupt noch die Kraft zum kämpfen zu haben. Wir werden immer müder und leerer.
Der Weg ins Burnout bahnt sich an.
Die Bereitschaft, etwas zu tun, ist durchaus eine Qualität. Doch wenn dieses Tun längerfristig und laufend über die eigenen Grenzen geht, dann stumpft der Mensch dabei ab. Er verliert das Gespür für sich selbst und beginnt sich selbst zu schädigen.
Was ist ein Burnout und wen betrifft es?
Burnout ist eine Beschreibung eines allgemeinen Erschöpfungszustandes, der mit einem Schwächegefühl einher geht.
Gefährdet sind Menschen, die irgendwann einmal sehr begeistert von einer Sache, einer Beziehung oder einem Job waren. Menschen, die die Bereitschaft hatten, viel dafür zu tun. Sie waren im wahrsten Sinne von dieser Sache entflammt, haben alles gegeben und sind letztendlich dabei ausgebrannt.
Folgende Personengruppen sind besonders für Burnout anfällig:
- Menschen die im Sozialbereich arbeiten, Menschen, die immer eine größere Bedürftigkeit als ihre eigene vor Augen haben. Sie wollen den anderen immer helfen und unterstützen. Aber die anderen brauchen so unendlich viel, viel mehr als der Helfer schlußendlich über eine längere Zeit geben kann.
- Menschen, die voller Enthusiasmus Dinge ändern wollen. Die bereit sind, dafür alles zu geben und zu tun, aber letztendlich gegen die verhärteten Strukturen des Systems keine Chance haben.
- Menschen mit einer familiären Belastung, wie ein behindertes Kind, einem zu pflegenden Familienangehörigen oder großen finanziellen Schulden. Jahrelang haben sie sich selbst zurück gestellt. Um ihre Schulden abzuzahlen, für das Kind oder den zu Pflegenden da zu sein. Sie geben alles was sie geben können - bis sie einfach nichts mehr geben können.
- Menschen, die für einen anderen Menschen extrem entflammt sind. In einer Beziehung tun sie alles für den anderen - bis sie ihre Kräfte und Energie aufgebraucht haben - letztendlich durch und in der Beziehung ausgebrannt sind.
- Menschen, die vollends in ihrer Karriere aufgehen. Sie leisten permanent mehr als ihre Kapazität zulässt. Bis sie physisch und psychisch zusammenbrechen.
Früher war Burnout bekannt als eine Managerkrankheit, da hauptsächlich Menschen in höheren Führungspositionen betroffen waren.
Dies hat sich mittlerweile geändert. In der heutigen Zeit erfahren immer mehr Menschen Stress und haben Mehrfachbelastungen über einen längeren Zeitraum. Das Leben folgt nicht mehr den Jahreszeiten von früher, wo es einen Winter zum Ausruhen gab.
Immer mehr Ansprüche werden an uns gestellt, immer mehr Leistungen werden von uns erwartet, auch im privaten Bereich. Daher geraten immer mehr in eine frühe Burnout-Phase. So z.B. AlleinerzieherInnen, im Sozialbereich Tätige, Lehrer, Menschen in Führungspositionen, Menschen in unsicheren Jobs usw.
Burnout hängt nicht nur mit Mehrfachbelastungen zusammen. Es betrifft Menschen, die dazu neigen, eine Sache oder einen anderen Menschen an die erste Stelle ihres Leben zu stellen. Dies kann eine positive Eigenschaft sein, weil sich der Mensch selber zurücknehmen kann. Doch hier wird sie negativ gelebt. Der Mensch überprüft die Realität nicht mehr. Er nimmt nicht mehr wirklich wahr, ob er überhaupt etwas besitzt, das er geben und teilen kann oder nicht. Er gibt und gibt, ohne auf sich selbst und seine Grenzen zu achten. Bis er seine physischen und psychischen Grenzen überschritten hat.
Die Phasen des Burnouts
Die Phasen des Burnouts in Anlehnung an Freudenberger und Edelwich
Noch bevor sich ein Burnout anbahnt, besteht bereits ein extremes Streben nach Leistung. Der Mensch hat hohe Erwartungen an sich selbst, die er erfüllen möchte. Er will es sich selbst und den anderen beweisen.
1. Phase: Enthusiasmus und Idealistische Begeisterung
Die erste Phase ist gekennzeichnet durch eine hohe Begeisterung für eine Aufgabe. Diese ruft einen großen Optimismus sowie eine Überschätzung von sich selbst, hervor. Jetzt ist der Mensch bereit, sehr viel, für seinen hochgesteckten Ziele zu tun. Er identifiziert sich mit seiner Arbeit oder mit den Menschen für die er arbeitet.
Die Arbeit wird mit nach Hause genommen. Dies kann konkrete Tätigkeiten betreffen, aber ebenso die laufende gedankliche Auseinandersetzung mit der Arbeit zu Hause. Man kann einfach nicht mehr abschalten. Es tauchen erste Ansätze eine Überlastung auf.
2. Phase: Stillstand, Stagnation
Die Begeisterung für die Aufgabe beginnt zu sinken. Es kommt zu ersten Enttäuschungen und zu einer beginnenden Ernüchterung. Weil sein Enthusiasmus und Optimismus zurück geht, beginnt der Mensch am eigenen Wertesystem zu zweifeln. Das Bedürfnis nach einer Erleichterung, wieder mehr Zeit für das Privatleben zu haben, kommt auf. Der Mensch erinnert sich, dass es noch etwas anderes gibt, er erinnert sich noch an seine Lebendigkeit.
Aber die Umsetzung gelingt ihm nicht mehr. Wichtig ist immer noch das eigene Funktionieren und die Arbeit bleibt vorrangig. Das Leben wird auf die Arbeit reduziert.
3. Phase: Frustration
Jetzt kommt der Mensch in die Erfahrung der Erfolglosigkeit und der Machtlosigkeit. Er kann nicht das tun und bewegen, was seinen hohen Idealen entsprochen hätte. Die bereits bestehenden Probleme bei der Aufgabe werden verleugnet. Eigene Gefühle von Inkompetenz und Wertlosigkeit erscheinen. Auch über die Arbeit bekommt man nicht die Anerkennung die man gerne hätte, und gerade in solchen Momenten brauchen würde. Weil man keine Wertschätzung von den anderen bekommt, beginnt man die anderen ebenso gering zu schätzten. Die eigene Toleranzschwelle sinkt ab.
Der Mensch sucht eine Ersatzbefriedigung in Suchtmitteln um seine aufkommende innere Leere und Angst nicht zu spüren. Er verliert zunehmend den Kontakt zu sich selbst und zu anderen Personen. Es wird immer enger.
4. Phase: Apathie - Nichts geht mehr
Es kommt zu einer völligen Desillusionierung und Resignation. Zu einer emotionalen und moralischen Gleichgültigkeit. Der Mensch steigt innerlich aus, hat bereits gedanklich gekündigt.
Die Depression ist da. Die Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung und der Verlust möglicher Perspektiven. Der Mensch kann und mag nicht mehr und sieht keinen Ausweg mehr. Erste Suizidgedanken kommen auf. Es sind innere Fluchtimpulse um noch einen Ausweg aus dieser hoffnungslosen Situation zu haben. Nun besteht die akute Gefahr eines mentalen und physischen Zusammenbruchs.
Burnout-Merkmale
Der Erschöpfungszustand des Menschen, die innere Leere, breitet sich in allen Bereichen des Lebens aus.
1) Körperliche Ebene:
Eine tiefe körperliche Erschöpfung - der Mensch fühlt sich ausgelaugt, leer, hat keine Kraft mehr für die alltäglichen Dingen. Es wird immer mehr Energie benötigt um etwas zu erledigen, aber das Handeln wird zugleich immer weniger effektiv. Alles fühlt sich mühsam und schwer an. Der Körper ist leer und energielos, die Abwehr dadurch geschwächt. Es kommt zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit, wie Infekte, psychosomatische Störungen, Schlafstörungen, Depressionen. Der Schlaf bringt immer weniger Erholung. Der Mensch fällt müde und abgearbeitet ins Bett und wacht noch erschöpfter auf.
Am Anfang kommt es häufig zu Versuchen sich über Suchtmittel, wie Alkohol, Kaffee, Tabletten, Zigaretten etc. zu stabilisieren oder zu pushen.
2) Emotionale Ebene:
Emotionale Erschöpfung - der Mensch stumpft gefühlsmäßig ab. Am Anfang der Burnoutphase werden die Gefühle noch einmal aktiviert. Wir fühlen uns eingeengt, wie in eine Ecke gestellt und beginnen uns zu verteidigen und zu kämpfen. Es kommt zu Aggressionen, Frustrationen, aber auch zu Selbstvorwürfen und Verzweiflungsanfällen. Mit der Zeit flachen die Emotionen wieder ab und der Mensch wird in einem gewissen Maße gleichgültig. Aber es ist keine ruhige Gelassenheit sondern eine grau gefärbte Gleichgültigkeit. Die Gefühle haben ihre eigene Intensität, aber die Kraft für Gefühle ist nicht mehr vorhanden. Die Betroffenen fühlen sich dann zeitweise wie innerlich tot, nichts berührt sie mehr. Weder im positiven noch im negativen Sinn.
3) Mentale Ebene:
Mentale Erschöpfung - So viel hat man investiert und jetzt kann man nichts mehr geben. Es wird einem zunehmend klar, dass man es nicht mehr schafft. Es scheint keinen Ausweg mehr aus dieser Situation zu geben und man erholt sich einfach nicht mehr. Die mentale Erschöpfung geht mit Gefühlen der Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, existenzieller Angst und Resignation einher. Dies kann bis zur kompletten Selbstaufgabe und zu Suizidgedanken gehen.
4) Beziehungsebene:
Durch die Erschöpfung auf den drei Hauptebenen beginnt sich der Mensch aus den Sozialkontakten und Beziehungen immer mehr zurück zu ziehen. Der Mensch versucht mit seinen Kräften zu haushalten. Alle möglichen Erwartungen von anderen werden ihm zu viel. Unterstützung von anderen kann nicht mehr angenommen werden. In bestehenden Beziehungen kommt es zu einer erhöhten Reizbarkeit und zu geringen Frustrationsgrenzen. Es ist keine Kraft mehr für einen zusätzlichen Aufwand vorhanden. Der Rückzug aus den Beziehungen kann zu einer kompletten sozialen Isolierung führen.
Burnout in Beziehungen
Nicht nur beruflich und über Mehrfachbelastungen kann ein Mensch ausbrennen. Auch in Beziehungen gibt es die Möglichkeit eines Burnouts.
Viele Menschen kennen die Tendenz, den Partner an die erste Stelle in ihrem Leben zu stellen. Sie sind bereit sehr viel oder auch zu viel für den Partner zu tun und nicht mehr auf die eigenen Grenzen zu achten.
Dennoch kommt es eher selten zu einem vollständigen Beziehungsburnout, weil Menschen meist vorher die Beziehung abbrechen.
Mögliche Hinweise auf eine angehende Burnout-Bbeziehung:
- Nur die Beziehung ist wichtig. Sie / Er ist das "ein und alles". Was in der Verliebtheitsphase normal ist, bleibt in der Beziehung weiter bestehen. Alles andere verliert an Bedeutsamkeit. Es kommt zum Rückzug aus den sozialen Kontakten, von Freunden und Familie. Im Job wird die Energie zurückgenommen, er verliert seine Wichtigkeit.
- Wenn das eigene Leben dem Wohl des anderen komplett untergeordnet wird, ist dies ein Warnhinweis.
- Ein Umsorgen und Bemühen um den Partner, auch wenn dieser sich nicht sonderlich bemüht. Aus einer tiefen Angst vor dem Verlassen werden versucht man alles zu geben. Gerade in unsicheren Phasen investiert man noch mehr in die Beziehung. Man möchte dem anderen alles Recht machen, ihm keinen Grund für eine Beschwerde liefern.
Häufig geschieht dies in Beziehungen, wo einer der Partner bedürftiger oder hilfloser ist als der andere. Oder auch in Beziehungen, wo einer der aggressivere oder mächtigere ist. Es sind Beziehungen, wo sich im weitesten Sinne eine Opfer- und Täterkonstellation ergibt.
- Einer alleine fühlt sich (oder ist) zuständig für die Beziehung. Nur einer ist verantwortlich, dass sie funktioniert, erhalten bleibt, schön ist oder gerettet wird.
- Eine hohe Idealisierung des Gegenübers. In der Verliebtheit ist es normal, nur das Beste im anderen zu sehen. Normalerweise relativiert und normalisiert sich dieses Bild mit der Zeit. Doch in diesem Falle bleibt die Idealisierung aufrecht. Damit bekommt der Mensch das Gefühl er müsste sich besonders anstrengen für den anderen, oder er würde alles verlieren, wenn der Partner geht.
Der zunehmende Fall in ein Beziehungs-Burnout:
- Aufgeben der eigenen Bedürfnisse bzw. des eigenen Wollens.
Nur noch der Partner und was der Partner will, wird zum obersten Handlungskriterium. Der Mensch verliert vollkommen den Blick dafür, was er selber braucht oder was ihm gut tut.
- Die Qualität der Beziehung wird nicht mehr überprüft.
Der Mensch schaut nicht mehr, ob das wofür er so viel tut, wirklich erstrebenswert, bereichernd und fördernd für ihn ist.
- Stetige Erhöhung des Einsatzes für die Beziehung
Obwohl der Beziehungsgewinn minimal ist, wird der persönliche Aufwand laufend weiter erhöht. Der Mensch tut immer mehr für die Beziehung und immer weniger für sich selbst. Der Einsatz steigt und der Nutzen sinkt. Die letzten Kräfte werden mobilisiert um die Beziehung zu verbessern, während sie immer fixierter wird und stagniert.
- Eine erste Frustration taucht auf. Nach Kämpfen und Schuldvorwürfen in der Beziehung versucht sich der Mensch weiter zu bemühen.
- Durch das Schwinden der eigenen Kräfte werden soziale Kontakt und eigene Hobbys vernachlässigt. Jetzt gibt es im Außen keine Regulative mehr. Der Mensch wird vermehrt auf seine Beziehung zurück geworfen und verliert die anderen Bereiche, wo er noch auftanken könnte.
- Aufgrund der anhaltenden Frustration in der Beziehung weicht der Mensch auf Ersatzbefriedigungen wie z.B. Essen, Rauchen, Trinken, Sex oder Einkaufen aus.
- Irgendwann wird die innere Leere für den Menschen spürbar. Der Mensch fühlt sich wie innerlich abgestorben und wird empfindungslos. Spätestens jetzt hört jegliche Motivation auf, noch irgend etwas in die Beziehung investieren zu wollen.
- Die Flucht vor sich selbst. Der Mensch möchte diese Leere nicht spüren, spaltet das Fühlen immer mehr ab und die Hoffnungslosigkeit der Depression holt ihn ein.
Ich habe den Blog
Erkenntnisse von der Couch eröffnet. Dort finden Sie weitere interessante Beiträge, wie beispielsweise
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„Wenn es mir schlecht geht, ist keiner für mich da!“.