Wenn du alles Richtig machst, ist alles gut - DU trägst die „ganze“ Verantwortung
In dieser Form der Zuschreibung übergebe ich dir die Verantwortung. Du musst dich um etwas oder mich kümmern, du bist zuständig für meine Gefühle und Bedürfnisse, du bist verantwortlich für unsere Beziehung, unsere Freundschaft, du musst schauen, dass der Haushalt läuft, Geld hereinkommt, etc.
Das Leidvolle an dieser Haltung ist, dass dem anderen zwar die volle Verantwortung zugeschrieben hat, dieser aber dafür weder Dank noch Wertschätzung erfährt. Eine Haltung, die wir als Kind in Verbindung mit unserer Mutter kennen. Solange die Mutter alles „richtig macht“, ist alles gut, aber wenn die Lieblingshose nicht gewaschen ist oder sie etwas Wichtiges vergisst, dann ist es ein Drama.
Denkmuster, die darauf hinweisen, dass ich dir die Verantwortung gebe:
- Du bist zuständig dafür, dass ich mich gut fühle, dass ich motiviert bin, meine Dinge erledige
- Du bist zuständig für den Haushalt, die Kindererziehung, das Einkommen, die Beziehung, den Urlaub
- Wenn du mich liebst, musst du wissen, was ich brauche und das richtige tun
- Wenn dir die Beziehung wichtig ist, dann wirst du dich um mich bemühen
- Wenn du dich änderst, ist alles gut, habe ich keine Probleme mehr
- Ich kann nichts tun, es liegt an dir.
In Beziehungen lassen sich häufig Konstellationen finden, wo ein Partner in der ICH-Verantwortung ist, während sich der andere Partner in der DU-Verantwortungszuschreibung befindet. Das liegt daran, dass eine DU-Zuschreibung besonders erfolgreich ist, wenn man ein Gegenüber hat, der die Verantwortung gerne auch übernimmt. Befinden sich beide Partner in der Du-Haltung, dann findet sich der klassischen Beziehungsstreit: „
Du bist schuld, es liegt alles nur an dir, du musst dich ändern!“.
Die positive Seite der Verantwortungsabgabe
Ist der andere für etwas verantwortlich, so ist das durchaus bequem, weil wir selbst weniger Verantwortung tragen. Machen wir den anderen für alles verantwortlich, dann bleiben wir in der Rolle eines Kindes. Weil der andere die Verantwortung trägt, ist er auch schuld und wir bleiben unschuldig.
Wird die Verantwortung für etwas bewusst abgegeben, kann das auch bedeuten, dass wir dem anderen zutrauen, diese Aufgabe zu erledigen und an der Aufgabe zu wachsen.
Die negative Seite der Verantwortungsabgabe
Übergeben wir anderen die Verantwortung, macht uns dies abhängig. Wir selbst können dann nicht mehr gestalten, sondern nur warten, bis der andere sich so verhält, wie wir es bräuchten. In seiner extremsten Form fallen wir hier in eine Opferhaltung – ich bin das Opfer, dass nichts dafür kann, du bist der Verursacher und somit auch der Täter.
Eine Veränderungsmöglichkeit besteht darin, dass wir versuchen, den anderen dazu zu bringen, dass dieser sich so verhält, wie wir es gerne hätten. Jene Energie, die wir eigentlich für Veränderung bräuchten, geht dann nicht in eine Änderung des eigenen Verhaltens, der eigenen Einstellung, sondern in den Versuch, das Verhalten, die Einstellung oder die Gefühle des anderen zu verändern. Dass kann über Vorwürfe und Forderungen geschehen, aber auch durch emotionale Manipulationen.
In einer Extremform ist der andere an allem schuld, was mit einem geminderten Einfühlungsvermögen für diese Person einhergeht. Das kann so weit gehen, dass wir anderen auch die Schuld an deren Schicksalsschlägen geben.