Emotionale Kälte - die kleine Eisprinzessin
Negative Beziehungserfahrungen
In unseren Beziehungen machen wir nicht nur positive, sondern auch negative Erfahrungen. Oftmals geschehen Verletzungen aus einer Unachtsamkeit oder einem fehlenden Verständnis für die verletzlichen Seiten des anderen heraus. Manchmal jedoch auch mit voller Absicht. In solchen Momenten wollen wir dem anderen tatsächlich weh tun. Negative Erfahrungen in der Beziehung rufen eine emotionale Verletzung hervor.
Frühkindliche Verletzungen brauchen eine Unterstützung
Wenn gröbere Verletzungen in der Kindheit geschehen, haben sie Auswirkungen. Ein Kind wird von den Gefühlen, die die Verletzung auslösen, überwältigt. Um die Verletzung zu bewältigen, braucht ein Kind eine Person, die ihm hilft, über die Verletzung hinwegzukommen.
Das Kind braucht:
- einen einfühlsamen Menschen, der es versteht und durch das Gefühlschaos begleitet.
- Verständnis für seine Gefühlswelt – die Erlaubnis, dass es auch so empfinden darf, wie es gerade empfindet.
- Worte, um die gerade gemachte Erfahrung begreifen und verstehen zu können.
- eine Lösung, damit es nicht in der negativen Erfahrung verbleibt. So eine Lösung kann bspw. durch eine liebevolle Umarmung, Trost oder ein gemeinsames Bedauern und Betrauern erreicht werden.
Manchmal braucht es eine Beziehungsreparatur
Ging die Verletzung von einer nahestehenden Bezugsperson aus, benötigt es noch etwas Zusätzliches. Es braucht eine Wiederanknüpfung an die bisherige „gute Beziehung“, so etwas wie eine Beziehungsreparatur.
Situationen, die eine emotionale Heilung verhindern können
- Der Verletzte ignoriert seine Verletzung. Er verhält sich so, als wäre nichts gewesen, als hätte ihn diese Situation nicht berührt. Dieses Verhalten ist bereits eine Schutzreaktion. Der Verletzte versucht mit seiner Verletzung umzugehen, indem der eigene Schmerz missachtet wird.
- Die Verletzung wird vom Verursacher ignoriert. Der Verursacher verhält sich so, als wäre nichts gewesen.
- Die verletzte Person wird in ihrer Verletzung nicht ernst genommen. Der Verursacher erklärt und rechtfertigt sein Verhalten, ignoriert dabei aber die Verletzung des anderen und spricht ihm die Verletzung ab. Beispiele dafür: „Das war doch nicht ernst gemeint; Das war doch nicht so schlimm; So ein Theater brauchst du deswegen nicht zu machen…“
- Schlimmstenfalls geschieht eine Umkehrung. Der Verletzte bekommt Vorwürfe. Seine alten Missetaten werden ihm vorgeworfen und er wird angegriffen. Die Verletzung kann sich nicht lösen, weil der Verletzte erneut verletzt wird.
- Obwohl auf die verletzte Person eingegangen und die Verletzung anerkannt wird, entkommt der Verletzte seinen Gefühlen nicht. Häufig sind ungelöste Verletzungen vorhanden, die nun zusätzlich aktiviert werden. Für die verletzte Person erscheint die Verletzung somit größer und existenzieller, als es tatsächlich ist.
- Manchmal zieht die verletzte Person auch einen Nutzen aus der Verletzung. In diesem Fall wird die Verletzung dem Verursacher oder anderen Mitmenschen ständig vorgehalten. Der Verletzte macht sich selbst zum Opfer. Wird eine Verletzung benutzt, kann keine Heilung erfolgen. Egal was andere Personen machen und wie sehr sie sich bemühen, es wird nie genügen die vorhandene Verletzung wiedergutzumachen.
Eine zwischenmenschliche Verletzung braucht eine heilsame Reaktion
Ist eine zwischenmenschliche Verletzung erfolgt, muss auf diese Verletzung reagiert werden!
Jede größere zwischenmenschliche Verletzung beeinflusst unsere Vorstellung, wie sich Menschen uns gegenüber verhalten. Je schlimmer die Verletzung ist, umso wichtiger ist eine heilsame Reaktion. Eine einfache Verletzung, wie ein situationsbezogenes nicht gehört oder gesehen werden, bedarf nicht unbedingt einer Reaktion. Eine massive Verletzung, wie ein Vertrauensmissbrauch, eine Erniedrigung, eine Abwertung der eigenen Person oder ein Verlassen werden, braucht dringend eine heilsame Reaktion. Die Reaktion muss nicht unbedingt vom Verursacher der Verletzung kommen. Auch andere können heilsam auf die Verletzung einwirken. Wollen wir jedoch weiterhin eine „ausreichend gute Beziehung“ mit dem Verursacher der Verletzung führen, braucht es eine ausreichend gute Reaktion des Verursachers.
Wenn die heilende Reaktion fehlt
Manchmal fehlt eine heilsame Reaktion, wie eine Beziehungsreparatur. In solchen Situationen sind wir nicht nur verletzt, sondern bleiben auch noch alleine mit der Verletzung. Ist die Verletzung groß, sind wir häufig nicht in der Lage, damit umzugehen. Oft haben wir einfach nicht gelernt, mit Verletzungen adäquat umzugehen oder eine Verletzung ist dermaßen intensiv, dass sie uns emotional völlig überfordert.
Weil wir schmerzhafte Gefühle selten gut aushalten, versuchen wir, diesen Gefühlen zu entkommen und wehren sie ab. Um uns vor großem emotionalen Schmerz zu schützen, kühlen wir innerlich ab. Wir regulieren unsere Gefühle nach unten. Symbolisch betrachtet erkalten wir emotional, frieren unsere Gefühle ein und werden zu einer kleinen Eisprinzessin oder in der männlichen Form zu einem kleinen Eisprinzen.
Wie wirkt sich das emotionale Erkalten aus?
Erkalten wir emotional hat das Auswirkungen. Wir spüren nicht nur den Schmerz nicht mehr, sondern alle Gefühle werden gedrosselt. Das bedeutet, dass wir in solchen Momenten nur noch wenig bis gar nichts mehr spüren. Dieses Nicht-spüren bezieht sich auf den Verursacher der Verletzung, so wie auf andere Menschen und uns selbst. Wir verlieren die Freude an den Dingen, die wir üblicherweise gerne machen und die Begeisterung für das Leben.
Die kleine Eisprinzessin erfriert in ihrer eigenen Kälte. Das emotionale Abstumpfen erscheint im ersten Moment hilfreich: Es hilft, den vorhandenen Schmerz nicht zu spüren. Wird das emotionale Erkalten allerdings nicht mehr aufgehoben, entsteht eine emotionale Leere.
So lange die innere emotionale Kälte nicht auftaut, zeigt sie sich immer wieder. Üblicherweise ist die emotionale Kälte nicht durchgehend vorhanden. Droht aber eine erneute Verletzung wird dieser Zustand augenblicklich aktiviert. Dann erscheint die kleine Eisprinzessin und blitzt aus den Augen hervor. Ihre Blicke sind distanziert, kühl oder gar eisig. Je größer die Verletzung war, umso kälter blicken wir in die Welt.
Wie wirkt sich die kleine Eisprinzessin auf andere aus?
Die Umgebung bekommt die Auswirkungen der emotionalen Kälte der kleinen Eisprinzessin zu spüren, indem die Eisprinzessin emotional kühl und distanziert wirkt. Die distanzierte Kälte scheint undurchdringlich.
Erkalten die Gefühle eines Menschen, ist er emotional kaum mehr zu erreichen. Häufig ruft dies bei anderen genau jenes Verhalten hervor, wovor sich die kleine Eisprinzessin/ der kleine Eisprinz fürchtet. Das Gegenüber spürt die emotionale Kälte und die gefühlsmäßige Distanz wirkt wie eine Mauer. Mögen wir einen Menschen, dann wollen wir ihn auch emotional erreichen. Doch mit dieser Mauer können wir nicht mehr zu ihm gelangen. Je dicker die Mauer ist, umso heftiger scheitert der Kontaktversuch. Um die Eisprinzessin noch irgendwie erreichen zu können, bedrängen wir sie verbal oder emotional. Diese Versuche können so weit gehen, dass wir die kleine Eisprinzessin tatsächlich verletzen, um nur irgendeine emotionale Reaktion zu bekommen. Alles erscheint günstiger als eine „Nicht-Reaktion“ von ihr. Doch gerade die Heftigkeit der Kontaktaufnahme wird von der Eisprinzessin als Angriff erlebt und sie verstärkt den emotionalen Schutz und die innere Kälte.
Das Erkalten der Gefühle ist für die Eisprinzessin ein Schutz vor dem Schmerz. Doch ihr Verhalten bewirkt häufig ein emotionales Bedrängen oder einen Angriff. Die emotionale Wärme, die die kleine Eisprinzessin in diesem Moment so dringend benötigen würde, wird durch die eigene eisige Haltung verwehrt.
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