Gedanken zur und über die Psychotherapie

Wie wichtig sind wir uns selbst?

Wofür nehmen wir uns Zeit?

Oft nehmen wir uns Zeit für Familie und Freunde. Auch unsere Arbeit, der Haushalt, Freizeitbeschäftigungen wie sportliche Aktivitäten, Feste oder Unterhaltungsprogramme nehmen viel Zeit in Anspruch.

Doch wie viel Zeit nehmen wir uns für uns selbst? Zeit, in der wir uns auf uns selbst fokussieren, in der wir uns mit uns selbst auseinandersetzen. Wie oft nehmen wir uns die Zeit, darauf zu achten, was uns aktuell bewegt. Zeit, um zu erkennen, was gerade in uns vor sich geht, wie wir mit uns selbst umgehen oder was wir brauchen.

Zu häufig vergessen wir im Trubel des Alltags noch auf uns selbst zu achten. Wir  nehmen uns keine Zeit für uns selbst. Alles andere erscheint uns oftmals wichtiger. Wir verschieben "unsere" Zeit auf später. Wir glauben, wenn wir alles erledigt haben, haben wir Zeit für uns selbst. Doch schauen wir einmal auf unser Leben und stellen wir uns die Frage: Haben wir nach dieser Sache, die wir unbedingt erledigen müssen, wirklich Zeit für uns selbst? Oder taucht nicht einfach ein nächstes Ereignis auf?

Psychotherapie ist Zeit für uns selbst.

Eine Zeit, in der wir selbst im Mittelpunkt stehen. Es geht um unser Empfinden, unser Denken, unsere Gefühle, um unsere Herausforderungen im Leben.

Brauche ich wirklich eine Psychotherapie?

Oder die Hemmungen zu einer Psychotherapeutin zu gehen.

Haben wir Probleme mit unserem Körper, Schmerzen, eine Verletzung, ein Unwohl sein, fällt es uns sehr leicht zu einem Arzt oder in die Apotheke zu gehen. Wir holen uns Unterstützung für unseren Körper, damit wir uns möglichst rasch wieder wohl fühlen.

Betrifft es den Körper, fällt uns vieles leichter. Wir warten nicht, bis die Symptome nicht mehr aushaltbar sind. So besuchen wir den Zahnarzt um eine Mundhygiene zu machen, machen eine Gesundheitsuntersuchung, etc. Wir erlauben vielen Menschen in die Nähe unseres Körpers zu kommen, ohne dass wir uns irgendwelche Gedanken darüber machen. Manchmal holen wir uns einfach nur etwas Feines, Wohltuendes für den Körper. Wir gehen zum Frisör, betreiben Sport, gehen in die Sauna, wir gehen Essen, zur Massage, zur Physiotherapie, zur Maniküre, usw. Es ist alles kein Problem. Meist sind wir sehr motiviert, etwas für den Körper zu tun. Bei unserem Körper fällt uns vieles leicht. Auch wenn er krank sein sollte, ist seine Erkrankung nicht persönlich. Dann hat man halt einen Unfall gehabt oder einen Virus eingefangen. Bei den meisten körperlichen Symptomen kommt keine Scham in uns auf.

Mit der Psyche und dem eigenen Seelenleben ist das aber komplett anders. Ist psychisch etwas unrund, dann nehmen wir es sofort ganz persönlich. Es stimmt etwas mit uns selber nicht. Dieses persönlich nehmen hemmt uns oft massiv, uns Unterstützung zu holen. Wenn die Seele etwas belastet, wird es zu einem persönlichen Problem. Wir glauben wir müssten das alleine regeln oder wir nehmen es nicht so ernst. Körperliche Verletzungen sind sehr real. Psychische Verletzungen spüren wir, aber sie sind nicht sichtbar. Also zögern wir hinaus, beruhigen uns, dass es ja nicht so schlimm ist, es geht schon wieder vorbei.

"Die Zeit heilt alle Wunden" ist der Satz, den wir dann meist innerlich in uns tragen. Bei unserem Körper würden wir nie so lange auf die heilende Zeit warten, wie bei unserer Psyche. Wir holen uns einfach Hilfe. Es ist schwer sich von seiner Psyche so zu distanzieren, wie von seinem Körper. Es gelingt uns kaum psychische Symptome nicht persönlich zu nehmen. Dabei ist die Psyche genaus so nur ein Teil von uns, wie der Körper.

So könnten wir einfach sagen:
  • Meine Psyche ist in der letzten Beziehung tief verletzt worden und es heilt einfach nicht. Es tut immer noch weh. Keiner darf in die Nähe meiner Wunde kommen weil sie sofort wieder schmerzt.
  • Ein geliebter Mensch ist gestorben, es ist als wäre etwas von mir mit ihm mitgegangen. Es fühlt sich irgendwie nicht mehr ganz an.
  • Meine Gedanken machen momentan etwas sehr eigenartiges, sie färben alles grau und depressiv ein.
  • Immer wieder werde ich von einer Angst angesteckt. Meine Psyche versucht sich dagegen zu wehren, aber meist ist sie dann wie gelähmt.
  • Laufend sind Sorgen vorhanden; sie bremsen mich und halten mein psychisches System gefangen.
  • Etwas in meiner Psyche glaubt laufend, dass ich ganz viel tun muss, damit man mich liebt oder mag. Es fällt mir schwer mich von diesem Glauben zu distanzieren.

Würde es uns gelingen, Symptome auf der psychischen Ebene gleich distanziert zu betrachten wie auf der körperlichen Ebene, wäre es recht einfach sich Unterstützung zu holen. Weil wir sie aber persönlich nehmen, warten Menschen meistens ab, ob sie nicht einfach verschwinden. Oft ist das auch so. Die Psyche hatte einen schlechten Tag, es war einfach mal zu viel, ein Konflikt oder eine Krise haben uns zwischendurch aus unserer Mitte geworfen.

Einige Symptome verschwinden allerdings nicht oder kommen immer wieder zurück. Sie begleiten uns über Wochen. In solchen Situationen ist es günstig, einfach einmal um Information oder Unterstützung anzufragen.
 
Das bedeutet nicht, dass man sofort eine Therapie braucht. Zeitweise genügt ein kurzes Gespräch oder eine kurze Beratung vollkommen. Nicht jeder Patient der zum Arzt geht landet im Krankenhaus und wird gleich operiert. Bei psychischen Symptomen ist es ähnlich.  Nicht jedes psychische Problem erfordert zur Lösung bzw. zur Heilung eine Psychotherapie.

Oft reicht einfach - wie beim Arzt - ein kurzer Besuch.

Was ist Psychotherapie?

Übersetzt bedeutet Psychotherapie die Behandlung der Seele oder die Behandlung von seelischen Problemen.

Mein persönliches Verständnis von Psychotherapie:
Psychotherapie ist eine heilsame Form der Beziehung.

Die therapeutische Beziehung

Eine therapeutische Beziehung ist anders. Als Psychotherapeut/in will man nichts vom anderen. Die eigenen Bedürfnisse sind nicht im Vordergrund. Der andere bekommt die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Als Psychotherapeut/in hat man ein ehrliches Interesse am Anderen und möchte sein So-Sein verstehen.

In der klientenzentrierten Psychotherapeutenausbildung wird viel Wert darauf gelegt, dass ein/eine Psychotherapeut/in die eigenen Muster und Verstrickungen kennen lernt und sie bearbeitet.

Damit kann der/die Psychotherapeut/in ein Gegenüber sein, das bei Mustern nicht einsteigt, mitspielt oder diese ausagiert. Das stellt eine große Bereicherung dar. Es ist zwar anfangs oft schwierig, weil man sich dann häufig etwas verunsichert fühlt und sich nicht auskennt. Irgendwie ist der Kontakt zu einem Psychotherapeuten / einer Psychotherapeutin anders. Doch längerfristig wird es damit möglich, sich selber besser zu verstehen und anders zu handeln.

Die klientenzentrierte Beziehung in der Psychotherapie
Die klientenzentrierte Beziehungsform in der Psychotherapie ist von drei großen Säulen getragen:
  • einfühlendes Verstehen, Empathie
  • bedingungslose Wertschätzung und Akzeptanz
  • Echtheit - Authentizität.
 
Einfühlendes Verstehen - Empathie: ein emotionales Mitschwingen und ganzheitliches Verstehen. Wenn unsere Gefühle nie ernst genommen oder verstanden wurden, kann es sehr heilsam sein, wenn uns jemand gegenüber sitzt, der sich nicht vor unseren Gefühlen fürchtet, sondern unsere Gefühle aushält, sie versteht und uns unsere Gefühle näher bringt. Damit lernen wir uns selber besser zu spüren und zu verstehen.

Bedingungslose Wertschätzung und Akzeptanz: oft erleben wir dass wir uns selber nicht akzeptieren oder wertschätzen können. Manchmal erfahren wir auch, dass einige unserer Anteile von den anderen nicht akzeptiert werden oder nie akzeptiert wurden. In diesen Bereichen ist es heilsam eine Beziehungsform zu erfahren wo wir uns akzeptiert und verstanden fühlen. Werden wir akzeptiert und geschätzt, ist es viel einfacher uns selbst zu akzeptieren.

Echtheit - Authentizität: Dies bedeutet dass der/die Psychotherapeut/in in möglichst vielen Bereichen in Übereinstimmung mit sich selbst ist. Wir treffen auf einen Menschen, der ehrlich und echt im Kontakt ist. Auch wenn es einmal unangenehm ist. Der/die Psychotherapeut/in bleibt da, so wie er/sie ist. Damit können wir lernen uns selbst ehrlicher und echter zu begegnen und auch in unangenehmen Situationen ehrlich bei uns selbst zu bleiben. Wenn einmal jemand hinter dir gestanden ist, ist es einfacher zu sich selber zu stehen.

Mit Hilfe dieser drei großen Beziehungssäulen wird ein sicherer, tragender, im weitesten Sinne "liebevoller" Boden geschaffen. In dieser Atmosphäre ist es einfacher sich dem eigenen Seelenleben, der eigenen psychischen Struktur anzunähern. So kann uns eine therapeutische Beziehung helfen uns selbst besser anzunehmen, sich selber mehr zu achten und zu würdigen, sich besser zu verstehen und uns dabei unterstützen, unangenehme Dinge zu integrieren und unsere Einstellungen oder unser Verhalten zu ändern.

Für mein Verständnis gibt es nichts Störendes oder Falsches an einem Menschen,
es gibt nur Dinge, die wir an ihm noch nicht verstanden haben

Auswahl eines Psychotherapeuten

Wie wähle ich einen Psychotherapeuten aus, der für mich passt?

Psychotherapie beruht auf einer heilsamen Beziehungsform. Daher ist es wichtig einen Psychotherapeuten zu wählen, wo man ein gutes Gefühl hat. Es ist günstig sich gegenseitig sympathisch zu sein. Auch wenn der erste Kontakt oft ein bisschen verunsichernd wirkt, kann man doch recht rasch für sich selbst erkennen, ob man sich in der Gegenwart des anderen wohl, verstanden und akzeptiert fühlt.

Nicht jeder kann mit jedem arbeiten. Ob es eine "gute Chemie" zwischen Therapeut und Klient gibt, kann über ein psychotherapeutisches Erstgespräch erfahren werden.
Ist die Beziehung zwischen Therapeut und Klient von einem "guten Gefühl" getragen, kann viel einfacher und schneller miteinander gearbeitet werden. Im besten Fall kommt man sich in der Psychotherapie sehr nahe. Es geht ja um die seelischen Bereiche und diese sind ganz persönlich und nah. Daher ist die Qualität der Beziehung zwischen Therapeut und Klient wichtig.

Dabei ist jedoch anzumerken, dass gewisse seelische Störungsbilder den Vertrauensbildungsprozess erschweren können. Vor allem im Bereich der Beziehungs- oder Persönlichkeitsstörungen. Im Falle einer Persönlichkeitsstörung kann es für den Klienten schwierig werden sich für den richtigen Therapeuten zu entscheiden. Eine Beziehungsstörung wirkt sich natürlich auch auf die therapeutische Beziehung aus und kann im therapeutischen Prozess eine zusätzliche Herausforderung werden.